Auch die längste Anreise (wir sind seit 80,5 Stunden unterwegs) geht irgendwann zu Ende. Vor uns liegt Rørvik im Dunkeln, es ist kurz vor 21:30 Uhr und unsere Aufregung steigt merklich an: Wie werden wir uns zurechtfinden? Werden wir uns wohlfühlen in den Gastfamilien? Was, wenn wir nichts verstehen? … - 21.30 Uhr, die „Nordnorge“ (was übersetzt „Nordnorwegen“ heißt) legt an. Erst mal runter vom Schiff. Es ist kalt. Vor uns eine Gruppe dick eingepackter Gestalten, ein paar mit einem großen Schild, auf dem „velkommen“ steht, eigentlich ein sehr guter Anfang, denke ich. Und dann geht alles sehr schnell. Keine fünf Minuten dauert es, bis alle in verschiedenen Autos verstaut und mit ihren Gastschülern und deren Eltern verschwunden sind. Jetzt muss jeder und jede erst einmal allein klarkommen. – Aber, um das vorwegzunehmen, alles überhaupt kein Problem!

Am Montagmorgen, dem ersten Morgen nach der Ankunft, treffen wir uns wieder in der einzigen weiterführenden Schule der Region, der Ytre Namdal videregående skole in Rørvik, unserer Partnerschule. Wir lernen erst einmal ein bisschen die Schule an sich und den uns eigens zugewiesenen Klassenraum kennen, bevor wir einen kleinen Gang in die Stadt machen, damit jede und jeder einen Eindruck von Rørvik bekommt und z.B. weiß, wo man einkaufen kann, wo das Museum ist und wo der Hurtigroutenkai .

Nach dem Spaziergang gibt es eine kurze Feedbackrunde zu den bisherigen Erlebnissen, den Gastfamilien, der Reise und allem, was uns sonst noch so bewegt, und danach sind die Schülerinnen und Schüler (SuS) in den Deutschunterricht der Norweger eingeladen, in dem sie in wechselnden Kleingruppen Fragen beantworten und so miteinander ins Gespräch kommen. Im Anschluss daran treffen wir uns wieder in unserem Raum und steigen in die Diskussion über Sinn und Machbarkeit des grünen Reisens und die persönliche Einstellung dazu ein. Dazu haben wir das Zitat „Kann man machen, muss man aber nicht.“ (s. Teil 1 unseres Reiseberichts) mehrfach modifiziert und bitten die SuS, sich der Position, die sie selbst vertreten, zuzuordnen und dies schriftlich zu begründen. Nach der anschließenden Auswertung ergibt sich wie von selbst eine Diskussion und die Positionen werden z.T. verändert oder es werden neue Sätze formuliert – ein Denkanstoß fängt an zu wirken. Unser nächstes Ziel ist es, darüber nachzudenken, wie wir unsere Erfahrungen und Ergebnisse mit der Schulgemeinschaft bzw. mit einer größeren Öffentlichkeit teilen können. Nach einem Brainstorming suchen sich alle einen Themenschwerpunkt aus und wir beginnen unsere konkrete Projektarbeit zum Thema: „Unsere grüne Reise nach Norwegen“, und zwar, bis die Schule aus ist und alle mit ihren gastgebenden Schülern nach Hause fahren.

Noch ist dieser Tag aber nicht zu Ende, denn um 19:00 Uhr treffen wir uns alle in der Cafeteria der Schule, die zugleich ein großzügiger Sozial- und Versammlungsraum im Zentrum der Schule ist. Beim gemeinsamen Essen vom Pizzabüffet kommen sich die norwegischen und deutschen SuS näher, vor allem auch deshalb, weil die Norweger anregen, immer wieder die Plätze zu tauschen. Zum Abschluss entsteht so ein Foto aller SuS, das sehr deutlich die Gelöstheit aller zeigt.

Am Dienstag, dem 19.03.24, beginnen wir unseren schulischen „Arbeitstag“ wieder um 8:05 Uhr mit der arbeitsteiligen Gruppenarbeit, die wir am Tag zuvor begonnen haben. Manche erstellen eine Präsentation unserer Reise speziell für jüngere Mitschüler, andere mühen sich tapfer ab, unseren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu einer Flugreise auszurechnen – gar nicht so einfach, wie sich herausstellt! – und wieder andere sind mit der Zusammenstellung von Bildern und weiteren Informationen beschäftigt oder knüpfen Kontakte zur Presse. Insgesamt herrscht eine produktive Arbeitsatmosphäre, die aber endet, als wir uns gegen Mittag auf den Weg zum „Norveg“, dem Museum/Kulturzentrum der Stadt aufmachen. In zwei Vorstellungen wird hier extra für Schüler der norwegische Dokumentarfilm „Ibelin“ gezeigt, der bisher nur auf Filmfestspielen zu sehen war, dort aber überall sehr erfolgreich war und im Laufe des Jahres weltweit über Netflix gestreamt werden soll. Ich denke, ich kann für alle sprechen und den Film von uns aus wärmstens empfehlen. Es geht dabei um die Geschichte von Mats, der mit nur 25 Jahren an einer seltenen Muskel-Distropie-Erkrankung stirbt. Mats`Leben, das seine Familie als Leidensweg wahrnimmt, geprägt von zunehmender Vereinsamung, Isolation und Chancenlosigkeit, zeigt sich nach seinem Tod in einem völlig unerwarteten, neuen Licht: Mats hatte in den zehntausenden Stunden, die er für sich allein in dem Spiel „World of Warcraft“ am PC verbracht hat, als „Ibelin“ ein erfülltes Leben - mit echter Liebe, echten Problemen und vor allem echten Freunden, die nach dessen Tod zu Hunderten die Familie kontaktieren, mit dieser trauern und auch in dem Film zu Wort kommen. Der sehr berührende Film regt auf vielen verschiedenen Ebenen zum Nachdenken. Sehr besonders an der Vorstellung ist zudem, dass der Vater von Mats/“Ibelin“ anwesend ist und vor und nach der Vorführung mit dem Publikum über Mats Leben spricht.

Nach dem Film unterhalten wir (Herr Herder und Frau Müller) uns noch länger mit dem Vater, während Frau Desch mit den SuS zurück zur Schule geht, um an dem von den norwegischen SuS organisierten Norwegischunterricht teilzunehmen. Das macht allen großen Spaß, aber sie wird es uns trotzdem nie verzeihen, dass sie so verpasst, wie wir mitten im Gespräch mit Mads Vater Robert eine Gruppe Orcas entdecken, die am Museum vorbei durch den Sund schwimmen! Leider sind sie zu weit weg, um Bilder machen zu können, aber der Anblick hat auch so etwas sehr Erhabenes.

Nach der Schule haben alle frei, um den Abend nach Wunsch zu gestalten.

Am Mittwoch fassen wir unsere bisherige Reise, unsere Ziele, Überlegungen und Ergebnisse in einer Präsentation im Auditorium der Schule zusammen – auf Englisch, denn die Präsentation ist für die norwegischen SuS und Lehrer und Lehrerinnen gedacht. Das klappt dank konzentriertem Vorgehen und gelungener Teamarbeit so gut, dass wir, so scheint es, unsere Gastgeber ganz schön beeindruckt haben. Das freut uns natürlich.

Der Donnerstag ist geprägt von zwei Events außerhalb der Schule: einer Führung durch die nagelneue Fischfabrik Sinkaberg, dem größten Arbeitgeber in Rørvik, und einem interaktiven Quiz im Museum Norveg. Netterweise werden wir mit dem schuleigenen Bus erst zur Fabrik und dann zum Museum gefahren, wobei wir auf dem Rückweg die große Brücke, die Rørvik mit dem Festland verbindet, zu Fuß überqueren und so einen grandiosen Blick auf die Stadt und die ganze Umgebung haben. Sowohl in der Fabrik, wo wir fasziniert von oben alle Arbeitsschritte der Lachsverarbeitung verfolgen, als auch im Museum werden wir herzlich empfangen und bekommen für uns vollkommen neue Informationen und Einblicke in den wirtschaftlichen Schwerpunkt Rørviks und in die Herausforderungen der Fischzucht und -verarbeitung angesichts ökologischer, klimatischer und energetischer Veränderungen. Im Museum spielen wir in kleinen Gruppen ein interaktives Spiel bzw. ein Quiz gegeneinander, in dem es an vielen verschiedenen Stationen mit unterschiedlichen Aufgaben um die Lachszucht der Zukunft geht. Das ist wirklich gut gemacht, macht unendlich viel Spaß, ist aber offensichtlich nichts für uns ältere Semester. Wir Lehrer belegen - mit Abstand - den letzten Platz……..  Doofes Spiel.

Am Abend dann der große Abschied von Rørvik und den Menschen dort. Während wir die Tage zuvor immer ziemlich viel Glück mit dem Wetter hatten, ist es nun weniger schön. Bei strömendem Regen, leider aber auch noch zusätzlichen Sturmböen warten erst einmal alle in den sicheren Autos ab, bis die „Polarlys“ („Polarlicht“) der Hurtigrouten auch sicher angelegt hat, bevor wir uns zitternd zu einem letzten Gruppenfoto mit allen Gastgebern aufstellen. Trotz des Wetters ist die Stimmung gelöst und hier und da macht sich auch ein wenig Wehmut breit, denn die letzten Tage haben bei aller Kürze des Besuchs zu intensiven Begegnungen geführt, die aber vielleicht und hoffentlich auch in Zukunft noch weitergeführt werden. Mit dem Ziehen der Koffer die steile Rampe hinauf und hinein in das Innere des Schiffes verabschieden wir uns endgültig von Rørvik und den ereignisreichen Tagen dort. Wir sind wieder unterwegs, wieder mehr als drei Tage, doch davon mehr im dritten Teil…

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